„Der Zwoaring brennt“ und „Die Welt geht unter“ lauteten anno 1910 die Schlagzeilen.
Dass der Halleysche Komet den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang anzeigte – als Datum wurde seinerzeit vom 15. Mai gesprochen – hätte man in Bayern jedenfalls gerade noch verkraften können. Aber dass die Maß Bier statt 24 Pfennig jetzt um 2 Pfennig mehr kosten sollte, erregte die Leidenschaften, erhitzte die Gemüter und brachte die Volksseele zu zum Kochen.
Bierpreiserhöhung
Trinkt kein Bier mehr! Die Festlichkeiten, Hochzeiten und Leichentrunke sollen für die Dauer des Streikes aufgehoben werden. „Wir gehen einer ernsten Sache entgegen. Einigkeit, Zusammenhalt und Ausdauer ist unsere Devise“, so hieß es im Aufruf der Vorstandschaft zur Regelung der Preisfrage.
Nachdem die Brauer zunächst, angesichts des Volkszornes, zurückgesteckt und das Bier wieder zum alten Preis verkauft hatten, beschlossen sie doch wenige Tage später in einer Versammlung in Mühldorf, dass es bei der Erhöhung bleiben solle.
Da flatterten den Brauereien Brandbriefe ins Haus.
„Dass du dirs merkst! Wenn das Bier nicht bis zum nächsten Sonntag wieder seinen alten Preis hat, dann kannst was erleben! Dann brennen wir dir die ganze Kalluppn nieder und de Wirtshäuser damit.“
Und so geschah es. Als am Sonntag, nachmittags gegen zwei Uhr die Glock’n von der Marktkirche zu winseln anfing, glaubte jedermann, dass sich ein paar Buben einen Scherz machten – die Drohbriefe hatte niemand tragisch genommen, obwohl die Briefschreiber in Rott und Gars schon ernst gemacht hatten.
Aber da brach in einer Bachmayer’schen Gastwirtschaft („Jakobmayer“) und wenig später in der ganzen „Soafa“ der Wailtl-Brauerei Feuer aus, das ganz offensichtlich gelegt worden war.
Trotz eifrigen Einsatz der Feuerwehren, die von Brauern Freibier erhielten, griff der Brand auf die benachbarten Häuser über, so dass schließlich sieben Anwesen vernichtet wurden.
Erst als Bachmayer dem alten Bierpreis versprach und der Assessor vom Bezirksamt Erding in voller Uniform, mit Schiffhut, Degen und weissen Handschuhen, vor die tobende Menge trat und den Aufruhr-Paragraphen vorlas, beruhigten sich Gemüter etwas. 25 Personen wurden wegen Landfriedensbruch verhaftet, darunter zwei Bauernburschen als Rädelsführer, von denen einer den Gendarmen niedergeschlagen hatte.
Das Nachspiel fand in München, im Landgericht München II, statt: am 14. Dezember 1910 – nach einer für heutige Begriffe unwahrscheinlich kurzen Zeit – fällte das Gericht sein Urteil.
Höchststrafe: 15 Monate Gefängnis, dann Gefängnisstrafen von neun bis herunter zu vier Monaten.
Die restlichen 21 Angeklagten teilten sich insgesamt 72 Monate.
Aus der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Dorfen:
Das Jahr 1910 brachte für den Markt Dorfen und für die Freiwillige Feuerwehr ein wichtiges Ereignis, den „Bierkrieg". Dazu lassen wir die Chronik sprechen: „Sonntag den 5.Juni nachmittags ¾ 2 Uhr „Feuer Alarm"! Es brannte im Bachmayerschen Gasthaus zum Jakobmeier. Genährt durch sehr starken Ostwind ergriff das Feuer die Nebenanwesen Guggetzer und Hammerschmied mit großer Aufgabe und Tätigkeit ist es uns gelungen, das Kaufhaus zum Ziegler zu erretten.
Fast zu gleicher Zeit kam die Meldung an das Comando, daß es in entgegengesetzter Richtung im Wailtl-Gasthause zum Seifensieder ebenfalls brenne, und eine Verteilung der hiesigen, und der bereits rundwärts eingetroffenen Feuerwehren in schnellster Weise geschehen mußte. Die Nebenanwesen „Bilberger, Nadler und Forster" wurden ebenfalls vom Feuer zerstört und durch den heftigen Wind war auch die Brauerei Bachmayer, sowie das ältere Anwesen des H. Rotgerbers Lipp sehr stark in Gefahr, deren Rettung nur durch ein friedliches, tüchtiges Zusammenwirken möglich war.
Von auswärtigen, zur Hilfe herbeieilenden Feuerwehren sind erschienen: Armstorf, Buchbach, Eibach, Grüntegernbach, Hausmehring, Hofkirchenm, Isen, Lappach, Lengdorf, Schwindegg, Schwindkirchen, Schiltern, St. Wolfgang, Taufkirchen, Wasentegernbach, Watzling, Zeilhofen. Auf die telefonische Anmeldung des großen Brandes hier, erschien vom kgl. Bezirksamte Herr Assessor Schricker, der nach Besichtigung der Brandstätte seine Anerkennung über die geleistete Arbeit und Lokalisierung des Brandes aussprach.
Ca. 6 Uhr abends konnte der Brand als bewältigt erachtet werden und blieb nur mehr das abkommandierte, verstärkte Feuerpiquet am Platze. Leider kam es zu unliebsamen Ausschreitungen; der Genuß des Freibieres, dem jüngere Burschen insbesonders zusprachen, erhitzte die ohnedies schon über den Bierpreis aufgeregten Leute, und es entstand gegen 9 Uhr abends eine offene Revolte, vor dem Gasthof Bachmayer, und wurden da sämtliche Fenster und Läden, sowohl im Gast- und Nebenzimmer Einrichtungsgegenstände und Beleuchtungskörper demoliert. Es waren ungefähr 200-300 Mann, denen gegenüber die Schutzmannschaft, wie das Comando der Feuerwehr machtlos war.
Gegen Mitternacht kam Herr Assessor Schricker nochmals per Auto von Erding mit verstärkter Schutzmannschaft und es gelang dann allmählich die Exzendenten zu vertreiben. Bei beiden Bränden ist Brandstiftung sicher anzunehmen, zumal vorher Brandbriefe an die Brauereibesitzer ergangen sind. Dieser Sonntag, 05.Juni, ist ein einzig dastehender trauriger Vorkommnisse, die ein gerichtliches Verfahren nach sich ziehen.
Öffentlichen Dank haben ausgesprochen: „Josef Bachmayers Söhne, Josef Ziegler, Johann Lipp, Guggetzer und Hammerschmid, Obermeier, Eiglsperger, Sewald, Wailtl, L. Kasper." Als bemerkenswert darf gelten, daß damals selbst das Ausland Notiz von Dorfen genommen hat. Englische, amerikanische und französische Zeitungen schrieben spaltenlange Berichte und das Pariser Boulevardblatt „Le Figaro" schloß seinen Hohnbericht auf die deutsche Disziplin mit dem Spottvers:
Un pompier et un pompier
Ca fait presque un guerrier
Übersetzt: Ein Feuerwehrmann, ein Feuerwehrmann, faßt schlimmer als ein Krieger an.